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Lernen aus der Geschichte, 12.10.2011

Geschichte interaktiv: Die Weimarer Republik / The Weimar Republic 1918-1933

Von Thomas Spahn

Bilingualer Geschichtsunterricht hat derzeit Konjunktur. Der großen Nachfrage nach Unterrichtsmaterialien begegnet seit diesem Jahr die Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH, indem sie ihre Reihe „Geschichte interaktiv“ nun auch um bilinguale Folgen zu Themen der deutschen Geschichte erweitert. Die vorliegende DVD zur Geschichte der Weimarer Republik setzt das etablierte Konzept der Reihe fort: Ein 23-minütiger Hauptfilm wird durch sieben Filmmodule von 8 bis 13 Minuten Länge und vielfältige Begleitmaterialien in einem DVD-ROM-Teil ergänzt. Alle Filme sind in deutscher und englischer Sprache verfügbar.

Der Hauptfilm nimmt Entstehung und Wirken der wirkungsmächtigen Dolchstoßlegende in den Blick und entfaltet so den der DVD zugrundeliegenden mentalitätsgeschichtlichen Zugriff auf Gesellschaft und Politik der Weimarer Republik. Die einzelnen Module vertiefen die „klassischen“ Aspekte des Unterrichtsgegenstands (Erster Weltkrieg – Krisenjahre – Versailler Vertrag & Völkerbund – Weimarer Verfassung – Kultur & Reformen – Scheitern) und greifen schließlich den Mythos der Dolchstoßlegende und dessen Nachwirken zur Zeit des NS und in der US-Propaganda nach 1945 („Stab-in-the-Back Legend“) wieder auf.

Einsatz im Unterricht

Die DVD lässt sich sowohl im bilingualen als auch herkömmlichen Geschichtsunterricht in beiden Sekundarstufen einsetzen. Die gelungene didaktische Strukturierung der Inhalte ermöglicht es zudem, nur einzelne Module zu zeigen. Den Autoren von „Geschichte interaktiv“ ist – im Gegensatz zu manch anderen Gestaltern digitaler Lehr-/Lernmaterialien – eines bewusst: Der Einsatz jeglicher Medien bedarf einer problematisierenden Fragestellung und sinnvollen Integration in den Unterrichtsgang.

Der umfangreiche DVD-ROM-Teil hält folglich unterrichtspraktische Hinweise (möglicher Unterrichtsverlauf; Lernziele), didaktisch-methodische Hinweise zum einen, ergänzende Unterrichtsmaterialien (u.a. Zitate; Plakate; Karikaturen) zum anderen bereit. Auswahl und Umfang der Materialien sind sehr gelungen, die didaktisch-methodischen Hinweise insgesamt stimmig und hilfreich. Dabei sind leider im deutschsprachigen Teil für 3 der 7 Module keine Materialien vorhanden. Hervorzuheben sind Verweise auf die Notwendigkeit weiterer Lernmaterialien an bestimmten Stellen oder methodische Erläuterungen zum Medieneinsatz. Unnötig und ungelenk hingegen ist der mehrfache Hinweis auf das Lehrwerk „Fragen an die Geschichte“ als Quelle weiterer Unterrichtsmaterialien. Wenn schon auf Schulgeschichtsbücher verwiesen werden soll, dann doch bitte nicht auf ein in der Geschichtsdidaktik weitgehend desavouiertes Relikt der 1980er Jahre.

Inhaltsüberblicke, Kurzbiographien der in den Filmen auftretenden Zeitzeugen sowie eine Zeitleiste vervollständigen den DVD-ROM-Teil. Ein großer Vorzug von „Geschichte interaktiv“ liegt darin, dass sich die angebotenen Filme und Materialien sowohl in eigenverantwortlichen, kooperativen Lehr-/Lernarrangements einsetzen lassen als auch in traditionellen Unterrichtsszenarien, in denen das problemorientierte, fragen-entwickelnde Unterrichtsgespräch dominiert.

Historisches Lernen bilingual

Bilingualer Geschichtsunterricht hat den Anspruch, das historische Lernen mit dem Kompetenzzuwachs in einer Fremdsprache zu verbinden. Auch geschichtsdidaktische Ziele wie die Förderung von Fremdverstehen oder die Einsicht in die Perspektivität von Geschichte werden verfolgt. Diese hohen Erwartungen bringen besondere Herausforderungen an die Unterrichtenden in der Unterrichtsvorbereitung mit sich, um insbesondere der sprachlichen Überforderung der Lernenden entgegenzuwirken. An dieser wichtigen Stelle setzen die Zusatzmaterialien des DVD-ROM-Teils an. Gemäß aktuellen Konzepten des bilingualen Unterrichtens werden Unterrichtsmaterialien angeboten, die sich in der Vor- und Nachbereitung sowie während des Sehens der einzelnen Filmmodule einsetzen lassen (pre-, while & post-viewing activities). Ein didaktisch-methodischer Kommentar erläutert diese Vorgehensweise für Neulinge des Unterrichts in der Fremdsprache. Die methodische Vielfältigkeit der Unterrichtsmaterialien ist beeindruckend. So kommen etwa zur inhaltlichen Vorentlastung neben Bildern auch Sequenzen paarweiser Textarbeit zum Einsatz, die als authentische Gesprächsanlässe dienen können. Als while-viewing activity stehen u .a. Lückentexte oder matching activities zur Auswahl. Vertiefende Fragestellungen oder die Methode des Schreibgesprächs erleichtern die Nachbereitung des Gesehenen. Für den Unterricht in der Sek. II wurden gesonderte Materialien – etwa gegenübergestellte kontroverse Historikerurteile – konzipiert. Trotz der angebotenen Wortschatzhilfen wäre hier eine Bearbeitungsmöglichkeit der Textdokumente zur Anpassung an die jeweilige Lerngruppe wünschenswert gewesen.

Kritischer Umgang mit Geschichte und Medien

„Geschichte interaktiv“ ermöglicht in vorbildlicher Weise einen Einsatz von Filmen im zeitgemäßen Geschichtsunterricht, der über bloße Stoffvermittlung oder Veranschaulichung des bereits Gelernten hinausgeht. In Verbindung mit weiteren Unterrichtsmaterialien kann die im Film dargestellte Geschichte kritisch hinterfragt werden. Die Schülerinnen und Schüler können etwa die Gestaltung der Filme mit anderen Darstellungen in der Geschichtskultur – etwa den (reißerischen) ZDF-Filmen aus dem Hause Knopp – vergleichen. So kann der Geschichtsunterricht nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Medienkompetenz der Lernenden leisten, sondern auch einen kompetenten, kritischen Umgang mit Geschichtsnarrativen und die Einsicht in den Konstruktcharakter von Geschichte befördern.

(Thomas Spahn unterrichtet Geschichte und Englisch am Gymnasium Westerstede. Er ist in der Lehrerfortbildung zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht tätig, u. a. für das Goethe-Institut.)

http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/9880