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Silke Gatermann, 02.07.2015

Kafka im Unterricht - da sieht sich man als Leser mehreren Regalmetern an aufbereiteten Unterrichtsmaterialien und Schriften über Autor und Werk gegenüber. Viele dieser Materialien verleiten nicht nur Schülerinnen und Schüler zu vorschnellen und plakativen Einordnungen Kafkas und seiner Texte in tradierte Schubladen. Kafka wird leicht zum komplizierten und schwer zu deutenden Schriftsteller stilisiert. Schade, denn Kafka hat uns noch heute viel zu sagen.

Erfrischend ist daher die Annäherung an Kafka über Filmdokumente und kurze, leicht verständliche Interview-Schnitte mit dem Kafka-Kenner Klaus Wagenbach und dem Kafka-Biographen Reiner Stach. Beide vermitteln den jungen Lesern im Hauptfilm einen persönlichen Zugang und wecken Interesse für das Werk.

Der Hauptfilm ist mit knapp 22 Minuten sowohl vollständig als auch in den drei Abschnitten ("Politik und Gesellschaft", "Die private Situation: Familie, Frauen, Freunde" und "Kafka als Schriftsteller" mit je ca. acht Minuten) als Einstieg wunderbar geeignet, um neugierig zu machen auf den Autoren.

Flotte Schnittfolgen und Wechsel zwischen Kommentarebene und knappen Ausschnitten aus sehr modernen Kafka-Inszenierungen der letzten Jahre faszinieren schon Schülerinnen und Schüler ab Jahrgang 9 und sind somit auch eine reizvolle Einstimmung auf Kurztexte wie "Die kleine Fabel" oder "Gib's auf".

Der Hauptfilm löste in der 9. Klasse eine ganze Palette von Fragen aus, die dann in Forscherfragen für die Recherche gebündelt wurden. Viele sehen nun der Lektüre und Auseinandersetzung mit der "Verwandlung" mit Spannung entgegen - im kommenden Schuljahr Pflichtlektüre und Gegenstand der zentralen schriftlichen Überprüfung in Hamburg.

In vier Modulen stellt das Medienpaket die Schriften "Die Verwandlung", "Der Process", "Der Verschollene/Amerika" und "Das Urteil" vor. Dabei wird in jedem Modul ein anderer Werkzugang gewählt, so dass bis zum Schluss Abwechslung geboten wird. Die Literaturwissenschaftlerin und Kafka-Forscherin Monika Schmitz-Emans bespricht die Texte und setzt dabei thematische Schwerpunkte, die der Lehrkraft für den Unterricht an große Bandbreite an möglichen Vertiefungen eröffnen. Das als Download auf der Internetseite eingestellte didaktische Material bietet eine sehr umfangreiche Auswahl an Arbeitsblättern und methodischen Anregungen. Wer in der Oberstufe Themenstellungen für Präsentationsleistungen sucht, wird hier sicher fündig. Für die Schülerhand eignen sich auch die zahlreichen Links, die Lehrkräften wie Schülern die unerquickliche Internetrecherche über Google mit nunmehr knapp 23 Millionen Treffern unter dem Suchbegriff "Kafka" ersparen.

In Lerngruppen mit dem mobilen Lernkonzept "Bring Your Own Device" können Schülerinnen und Schüler ausgehend von den Links, aber auch über die vorbereiteten Arbeitsmaterialien schnell individuelle Lernschwerpunkte wählen. Die digital vorliegenden Arbeitsblätter mit den eingebetteten Filmbeispielen stellen zudem eine enorme Entlastung bei der Unterrichtsvorbereitung dar. Wenn im Unterrichtsraum ein interaktives Whiteboard zur Verfügung steht, lassen sich Beobachtungsaufträge und exakt geschnittene Filmbeispiele ohne großen Zeitaufwand in den Unterricht integrieren.

Schülerinnen und Schüler aus Jahrgang 9 sind sich einig: so kann man sich Prag und die Zeit, in der Kafka lebte, viel besser vorstellen. Franz Kafkas Interesse am "neuen" Medium Film und seine Begeisterung für Flugzeuge sowie seine komplizierten Beziehungen zu mehreren Frauen lassen ihn als Menschen erscheinen und nicht als ferner Literaturgott.

Insgesamt eine sehr empfehlenswerte DVD. Großes Lob an das Autorenteam!

(Silke Gatermann ist Lehrerin für Deutsch, Geschichte, PGW, Englisch, History und PSE am Gymnasium Ohmoor in Hamburg)