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Stefan Schuch, 23.04.2012

Die von der Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH in der Reihe „Geschichte interaktiv“ herausgegebene und von Carola Halfmann und Anne Roerkohl produzierte DVD Längsschnitt Krieg und Frieden I – Krieg widmet sich dem Thema Krieg vom 17. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart.

Der modulare Aufbau – Kennzeichen der gesamten Dokumentationsreihe – bietet einen Hauptfilm (Dauer ca. 23 Minuten) sowie sechs Module, die das Thema Krieg an bedeutsamen Einzelbeispielen vertiefend behandeln. Die vorliegende DVD ist zudem für den bilingualen Unterricht konzipiert, das heißt, dass das gesamte Film- sowie das umfassende didaktische Zusatzmaterial sowohl in deutschsprachiger als auch in englischsprachiger Fassung vorliegt.

Krieg – Der Hauptfilm

Der Hauptfilm der DVD setzt sich mit der Definition des Krieges auseinander und behandelt in sechs Unterkapiteln wichtige Grundbegriffe des Themas. Hierbei werden die Aspekte der symmetrischen und asymmetrischen Kriegsführung in ihrer historischen Dimension beleuchtet und die möglichen Legitimierungen des Krieges als gerechter und notwendiger Krieg dargelegt. Dabei werden die jeweiligen Themen, so auch der industrialisierte, alles erfassende totale Krieg – erstmals im Ersten Weltkrieg Realität geworden – mittels zeitgenössischen Bild- und Filmmaterials sowie anhand von Experteneinspielungen verdeutlicht.

Untrennbar mit dem Krieg verbunden ist der Begriff der Gewalt, deren exzessive Entgrenzung am Beispiel des Zweiten Weltkrieges thematisiert wird. Die Mobilisierung durch Propaganda und die Macht der Medien als Mittel der Kriegsführung – veranschaulicht anhand zahlreicher einprägsamer Bilder – werden im Hauptfilm ebenso dargestellt, wie auch ein Vergleich zwischen neuen und den alten Kriegen hergestellt wird.

Bei den jeweils behandelten Themen wird immer auch der Brückenschlag in die Gegenwart vollzogen, sodass nicht nur die historische Dimension, sondern ebenso die Aktualität der Thematik augenfällig wird. Gleichermaßen kompetent und verständlich erläutern ausgewiesene Experten wie Kerstin von Lingen (Universität Heidelberg), Edgar Wolfrum (Universität Heidelberg), Sönke Neitzel (Universität Glasgow) und Herfried Münkler (Humboldt-Universität Berlin) die einzelnen Gesichtspunkte.

Die thematischen Unterkapitel des Hauptfilms können auch einzeln und unabhängig voneinander eingesetzt werden, was der Lehrkraft ein Maximum an Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Die Module

Die Einzelmodule nehmen jeweils einen Krieg bzw. unmittelbar zusammenhängende Kriege als Aufhänger, um neben dem historischen Kontext und Ablauf auch spezifische Charakteristika des jeweiligen Konflikts herauszuarbeiten und zu verdeutlichen. Dabei steht – Gott sei Dank – nicht die Chronologie der Schlachten im Vordergrund, sondern es werden die Aspekte Legitimation und Schuldfrage, Kriegsführung, Auswirkungen auf die Kombattanten und die Zivilgesellschaft sowie die Folgen in den Fokus der Darstellung gerückt.

Der Dreißigjährige Krieg bildet hierbei den Anfang. Der erste Unterrichtsbaustein zeigt zunächst den größeren historischen Kontext, verdeutlicht dann parallel zur Chronologie der Ereignisse das Zusammenwirken von Religions- und Machtkampf sowie die typische Art der Kriegsführung durch Kriegsunternehmer mit Hilfe von Söldnerheeren. Die Auswirkungen jener auf den Kampf der Soldaten sowie auf die Zivilgesellschaft werden thematisiert. Wichtige Aspekte werden von den Fachwissenschaftlern Barbara Stollberg-Rilinger (Universität Münster) und Michael Kaiser (Universität Köln) vertiefend erläutert, Karten und zeitgenössisches Quellenmaterial veranschaulichen die Darstellung der Dokumentation, die in knapp 17 Minuten alle im Kontext relevanten Aspekte des Dreißigjährigen Krieges vermittelt.

Das zweite Modul beschäftigt sich mit den Revolutions- und den Napoleonischen Kriegen (1792-1815). Den Schülerinnen und Schülern wird vermittelt, wie es im Gefolge der Revolution von 1789 zu den auch innenpolitisch motivierten Revolutionskriegen kam, in denen auch erstmals eine Volksarmee und nicht ein Söldnerheer aufgestellt wurde und damit der Krieg zur Sache der ganzen Nation wurde. Edgar Wolfrum und Herfried Münkler erläutern diese letztlich erfolgreichen Besonderheiten der Kriegsführung und zeigen die Unterschiede zu den im Gegensatz dazu stehenden, auf die Person des erfolgreichen Feldherren fixierten, Napoleonischen Kriegen auf. Des Weiteren eröffnet die Dokumentation den Blick auf das Leben und Sterben der Soldaten sowie der Zivilisten und es werden die für die Geschichte des Krieges wichtigen Aspekte, wie zum Beispiel der von den Spaniern im Kampf gegen Napoleon praktizierte „kleine Krieg“ (Guerilla) oder die von den Russen angewandte Taktik der verbrannten Erde, anschaulich thematisiert.

Das Modul „Erster Weltkrieg“ zeigt den industrialisierten und totalen Krieg, der sich in Materialschlachten manifestiert und zum ersten Mal von einer medial unterstützten Propagandamaschinerie auch an der Heimatfront in entsprechender Weise angeheizt wurde. Dass die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ ihre Wurzeln in den imperialistischen und nationalistischen Tendenzen des vorausgegangenen Jahrhunderts hat, wird hierbei ebenso thematisiert, wie die Frage nach der Schuld am Kriegsausbruch. Die fachwissenschaftlichen Erläuterungen von Kerstin von Lingen und Sönke Neitzel sowie das verwendete Bild- und Filmmaterial eröffnen hierbei auch neue und eher unbekannte bzw. in anderen Dokumentationen weniger beachtete Aspekte (z. B. der erstmals praktizierte Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung).

Der Zweite Weltkrieg als Weltanschauungskrieg gegen die UdSSR und als rassischer Vernichtungskrieg sowie als totaler und als globaler Krieg bilden die Themenschwerpunkte des vierten Moduls der DVD. Wobei hier die Verstöße gegen das Völkerrecht, die Brutalität der Kriegsführung und die bisher ungekannten Gewaltexzesse in das Zentrum der Darstellung treten und auch deren Motive genauer hinterfragt werden. Aber auch der strategische Bombenkrieg zur Zermürbung der deutschen Bevölkerung und die Kriegsführung der Amerikaner im Pazifik sowie die Atombomben-Abwürfe über Japan, Aspekte die verdeutlichen, dass der Krieg von allen Seiten unter Missachtung des Völkerrechts und jeglicher moralischer Aspekte geführt wurde, werden dargelegt.

Das fünfte Modul widmet sich dem alle Menschen in Ost und West erfassenden Kalten Krieg. Dessen Entstehung sowie seine Propagierung werden ebenso dargestellt wie die atomare Bedrohung und das nukleare Patt. Die Krisen im Kalten Krieg (z. B. Berlin-Krisen, Kuba-Krise), der Wettlauf im All (z. B. Sputink-Schock, erster bemannter Raumflug von Gagarin) und die Stellvertreterkriege in Korea und in Vietnam sind einige der Themen, die dieses Modul behandelt. Herfried Münkler, Bernd Greiner und Edgar Wolfrum erläutern verständlich und auf das Wesentliche reduziert die Spezifika der bipolaren Welt, die ihr Ende mit dem Zusammenbruch des Ostblocks fand.

Die neuen Bedrohungen und die neuen Kriege, die nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden bzw. ausbrachen und zum Teil bis in die unmittelbare Gegenwart hinein virulent sind, werden im sechsten Modul des Längsschnittes behandelt. Wichtige Aspekte, wie die asymmetrische Kriegsführung, die Entmilitarisierung des Krieges, die Privatisierung der Gewalt durch Warlords und Söldner, die Kriegsführung durch Terroristen, aber auch die Verbilligung von Kriegsgeräten, die Finanzierung durch Drogengeschäfte, der Einsatz von Kindersoldaten, Massaker an religiösen oder ethnischen Gruppen, Traumatisierungen durch Vergewaltigung und exzessive Gewalt sowie die Problematik der humanitären Hilfe werden eindrücklich an den Beispielen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien, in Somalia, in Afghanistan, des Krieges gegen den Terror und des Irak-Kriegs ausgeführt.

Die gelungene didaktische Reduktion ohne unangebrachte Verkürzung oder gar Simplifizierung kennzeichnen die gesamte Produktion. Geschickte Kameraführung, überlegter Schnitt und gut ausgewählte Bilder und Bildausschnitte aus Originaldokumenten sowie die richtige Portion Expertenwissen geben der Dokumentation aus dem Hause Anne Roerkohl die passende Mischung aus Anschaulichkeit und professioneller Information, die ideal für den unterrichtlichen Einsatz ist.

Didaktisches Material

Neben den filmischen Dokumentationen finden sich auf einer zusätzlichen CD-ROM didaktische Materialien.

Die Qualität und der Umfang des didaktischen Materials sind außerordentlich. Mit diesem kann man im deutschen wie im bilingualen Geschichtsunterricht nicht nur die Inhalte der Filmmodule erarbeiten und festigen, sondern wichtige Aspekte auch ganz unabhängig von den Filmen vertiefend untersuchen. Sowohl für den Hauptfilm als auch für jedes Einzelmodul gibt es mehrseitige Materialen, deren Ziele, Methoden und zeitlicher Umfang auch jeweils in einem didaktischen Vorwort erläutert werden und die viele Text- und Bildquellen beinhalten. Für die Methodenschulung im Umgang mit historischen Quellen dienen gesonderte Methodenkarten, die z. B. die Analyse von Plakaten und von politischen Reden präzise und kompakt erläutern.

Auch diese DVD der Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH kann nur allen Geschichtslehrerinnen und -lehrern im Land empfohlen werden, wobei der Einsatz nicht auf den (bilingualen) Geschichtsunterricht beschränkt bleiben muss, sondern die Dokumentation auch im Sozialkunde- bzw. Politikunterricht, in Englisch, Religion und Ethik sowie im Rahmen der Friedenserziehung auch im außerschulischen Bereich ihren Platz finden kann und soll.

Stefan Schuch, OStR, unterrichtet Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Chiemgau-Gymnasium in Traunstein.