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PSM-Data Geschichte, 16.10.2007

Prüfsiegel PSM Data empfiehlt für DVD "Die Deutsche Frage I - Nachkriegszeit 1945-1949" erhalten

Getrennte Brüder

Die Deutsche Frage ist eine zentrale Frage, die sich durch die ganze Geschichte Deutschlands zieht. Von der Zersplitterung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nach dem 30jährigen Krieg über die Einigungsbestrebungen der Zeit des Vormärzes, bis hin zum Einigungsprozess, der sich vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1990 hinzog, ging es immer um die Frage des (Fort-)Bestandes Deutschlands, um den Umfang seines Gebietes und seine Macht im Zentrum Europas. Genau hiervon handelt auch die dreiteilige Dokumentation zur Deutschen Frage vom Kriegsende bis zur Wiedervereinigung der Anne Roehrkohl dokumentARfilm GmbH. Der erste Band „Deutsche Frage I“ der Reihe „Geschichte interaktiv“ ist nun erschienen und beleuchtet die Phase von der Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 bis zur Gründung zweier deutscher Staaten 1949.

Das Titelbild ist für sich aussagekräftig genug. Die auf der Verpackung gezeigte Karikatur stellt eine Trümmerlandschaft dar. Inmitten dieser Szenerie stehen zwei „deutsche Michels“, die, getrennt von einer Mauer, in den Himmel blicken. Der Himmel ist verdüstert. Der rechte Himmel ist rot gefärbt, der linke lässt „Stars and Stripes“ erkennen: Getrennte Brüder mit einer unterschiedlichen, von ehemaligen Feinden bestimmten Zukunft.

Wie jede DVD-ROM der Reihe „Geschichte interaktiv“ steht im Zentrum der Hauptfilm. In Band 7 der Reihe wird die Deutschlandpolitik der Alliierten beleuchtet. Ausgangsfragen sind „Wie gingen die Alliierten mit dem ehemaligen Gegner in der direkten Nachkriegszeit um?“, „Welche Planungen zum Wiederaufbau und zur politischen Zukunft Deutschlands bestehen?“ und „Wie kam es zur Teilung Deutschlands und zur Gründung zweier deutscher Staaten?“. Der 23minütige Film umreißt in Kürze das notwendige Basiswissen zur frühen deutschen Nachkriegsgeschichte. Zu den Hauptzielen der alliierten Politik (Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Demokratisierung) wird anschauliches Bildmaterial gezeigt und Beispiele gebracht. Experten kommentieren wichtige Stationen der Zeit nach der „Stunde Null“ und unterstreichen das im Film Gezeigte. Immer wieder begeisternd ist das attraktiv gestaltete, animierte Kartenmaterial. Daran wird die Teilung Deutschlands in vier Zonen oder die Ausdehnung des sowjetischen Einflussbereiches in Europa besonders deutlich. Die Länge des Hauptfilmes und der kurzen Filmmodule (jeweils 12 Minuten) erlauben stets eine perfekte Einbindung in den Unterrichtsverlauf und eine gezielte Einsetzung an den Stellen, an denen der jeweilige Teilbereich des Moduls thematisiert wird.

Im ersten Modul wird das Thema des Hauptfilmes noch einmal aufgegriffen: Wie sah die alliierte Deutschlandpolitik aus? Es schildert zudem den Neubeginn Deutschlands, die Bildung eines demokratischen Westens und die Etablierung der SED in der sowjetischen Besatzungszone. Die klaffenden Unterschiede zwischen den zwei neuen Staaten werden hier wie auch in den folgenden Modulen bravourös herausgearbeitet und sachlich erörtert. Es beschreibt aber auch das Wiederaufblühen der Kultur. Es erzählt von der Reinkarnation des Spielfilms in den DEFA-Studios Berlin oder dem Schutz deutscher Kulturgüter, die den Missbrauch durch die Nationalsozialisten und den Krieg überlebt haben. Im darauffolgenden Modul werden Alltag und Gesellschaft unter die Lupe genommen. Eindringlich wird das Leben von Menschen inmitten der Trümmer des Krieges geschildert. Ehemalige Wehrmachtssoldaten fürchten sich vor Gefangenschaft und Zwangsarbeit und die einfache Bevölkerung vor Repressalien und Rache durch ehemalige Kriegsgefangene. Schicksale von Einzelnen und Familien – auch anhand von Zeitzeugen - direkt nach dem Krieg werden sehr emotional aber sachlich dargestellt. Der Steckrübenwinter 1946/47 war extrem kalt. Angesichts der Wohnungsnot und der relativ schlechten Versorgungslage ein Debakel. Es sollte mit diesem Modul Jugendlichen einfach zu verdeutlichen sein, dass das Land, in dem sie heute wohnen, vor nicht allzu langer Zeit noch ein zerstörtes und besetztes Land mit einer zermürbten Bevölkerung war. Das dritte Modul veranschaulicht, wie die Alliierten mit den Kriegsverbrechen und den Mitgliedern ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen verfuhr und wie die Entnazifizierung verlief. Herausgehoben wird dabei, dass die Alliierten durchaus unterschiedliche Methoden der Entnazifizierung in ihrer jeweiligen Zone anwandten, was „Reeducation“ ist und wie die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse verliefen. Die Unterschiede der Westzonen und der sowjetischen Besatzungszone bei wirtschaftlichen Fragen wird im Modul 4 ausgeführt. Wie wurden Reparationen geleistet und welchen Umfang hatten diese? Was ist der Marshallplan und was besagte er? Welche Wirtschaftsmodelle wurden eingeführt. Hier werden die Unterschiede zwischen der angestrebten „freien Marktwirtschaft“ im Westen und der Planwirtschaft des Ostens und dessen Bodenreform aufgezeigt. Das fünfte Modul springt direkt in das Jahr 1949 und thematisiert die Gründung zweier Deutscher Staaten, zeigt auf, die es dazu kam und was die politischen und ideologischen Wesensunterschiede beider Staaten waren. Man kann aus diesem Modul schön die Frage ableiten, wozu die Staatengründungen dienlich waren und wie die Deutschen wohl dies- und jenseits der „Blockgrenze“ über die Teilung Deutschlands dachten. Das letzte Modul beinhaltet - wie bewährt -eine Medienanalyse, durch die Schüler anhand von (Zeitzeugen-)Interviews, Filmbeiträgen oder durch Fragmente von (Kino-)Nachrichten einen Ausschnitt des behandelten Zeitraumes erhalten und die im Unterricht ausgiebig diskutierbar sind. In der Medienanalyse zu dieser DVD-ROM stößt man auf ein Interview mit Ralf Giordano, der über die Absicht, Rache an seinem Klassenlehrer zu nehmen erzählt, einen Ausschnitt aus dem ersten deutschen Spielfilm nach dem Krieg „Die Mörder sind unter uns“ (DEFA, 1946), der sich mit den Lasten der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzt und einen Ausschnitt der Wochenschau „Welt im Film“ aus dem Jahre 1947, bei dem aus dem Entnazifizierungsverfahren des Hitler-Fotografen Hoffmann berichtet wird. Ferner erzählt Karl Wilhelm Fricke Witze in der sowjetischen Besatzungszone.

Alle Filme werden von zahlreichen Zeitzeugen, darunter auch bekannte Köpfe wie Ralph Giordano, Wolfgang Leonhard oder Annemarie Renger, kommentiert. Historiker und Experten beschreiben den historischen Kontext. Zeitgenössisches Filmmaterial wird im Hauptfilm und den Filmmodulen vortrefflich eingesetzt und verbildlichen den Neubeginn Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg auf eindrucksvolle Weise. Es wurde viel Wert darauf gelegt, die Unterschiedliche Verfahrensweise der Besatzungsmächte und den Umgang der Alliierten Mächte untereinander hervorzuheben. Das ist ohne Zweifel gut gelungen. Die Garantie, mithilfe von Karten und Diagrammen, zahlreichen Animationen etc. komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen, kann diese DVD-ROM leicht erfüllen. Informationen sind auf den Punkt gebracht und auf das Wesentliche konzentriert. Sachverhalte und Zusammenhänge sind für Schüler des Sekundarbereiches I und II gleichermaßen einfach zu verstehen, aber keines Falls anspruchslos. Eine gute Lösung, die Anerkennung verdient.

Auch der DVD-ROM-Teil mit seinem didaktischen Begleitmaterial ist bei dieser Ausgabe der Reihe „Geschichte interaktiv“ wieder ausgeweitet worden. Zu dem Hauptfilm und jedem Modul findet man Arbeitsblätter und Übersichten. Darüber hinaus werden in zwei separaten Teile Biografien von den in den Filmen zu sehenden Zeitzeugen und historischer Persönlichkeiten jener Zeit mitgeliefert. Andreas Bremm und Myrle Dziak-Mahler („Geschichte betrifft uns“) haben dabei Unterrichtsmaterialien zur Erarbeitung, Festigung und Vertiefung mit den hierzu passenden Fragestellungen entwickelt und für Lehrkräfte begleitende didaktisch-methodische Kommentare angefügt. Da Geschichte nicht ganz ohne Daten auskommt, ist sogar eine kleine nützliche Zeitleiste enthalten. Für weitere Informationen kann man einen Blick in das Literatur- und Linkverzeichnis werfen. Fachlich sehr gut gemeistert und ideal auf das Filmmaterial abgestimmt. Insgesamt ist die DVD-ROM eine lohnenswerte Anschaffung. Der Hauptfilm und die Module sind perfekt für den Unterrichtseinsatz und zur Vertiefung sowie zur Klärung offener Fragen kann das Begleitmaterial als sinnvolle Ergänzung sehr hilfreich sein. Uneingeschränkt zu empfehlen für Schulen der Sekundarstufen und Gesamtschulen.

Martin Knust

PSM-Data / HistoriaPRO

http://www.zum.de/psm/empf/psm_dtfrage1.php